#Intervention_02 - Zhanina Marinova

#Intervention_02 - Zhanina Marinova

Für die Reihe #Intervention im Jazzclub Porgy&Bess hat Zhanina Marinova für die Public Domain sowie den Raum im Stiegenabgang zum Club je eine Installation aus einer neuen Serie von Siebdrucken geschaffen.

#Intervention_02
Zhanina Marinova
20. März bis 2. Juni 2024
täglich von 16:00 - 23:00 Uhr

ARTIST TALK
Paula Marschalek im Gespräch mit Zhanina Marinova
Dienstag, 7. Mai 2024, 18.30 - 20.00 Uhr
in der Strengen Kammer im Porgy&Bess

In entspannter Wohnzimmeratmosphäre sprechen Kunsthistorikerin Paula  Marschalek und Künstlerin Zhanina Marinova über die neue Arbeit INTERSTICE, die sich mit Raum- und Zeitwahrnehmung beschäftigt genauso wie mit Lücken und Rissen, die unser Leben verbinden und Teil unserer Identität sind.

Paula Marschalek über die künstlerische Arbeit von Zhanina Marinova
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Transparent bodies, mirroring shadows” (Transparente Körper, spiegelnde Schatten) ist das vierte Kapitel des laufenden Projekts INTERSTICE von Zhanina Marinova.

INTERSTICE - ein Raum oder ein Ort zwischen Dingen und Ereignissen - repräsentiert den Raum und die Zeit, die wir nicht haben; die Lücken und Risse, die unser Leben letztlich verbinden und Teil unserer Identität sind. “Transparente Körper” ist eine Metapher für bestimmte Erinnerungen und Gedanken, die man haben kann und die an einem Zwischenort materialisiert werden – nämlich im Geist und im Herzen. Dabei kann es sich um Menschen, Orte, Ereignisse oder erlebte Worte handeln, die unsere Wahrnehmung des Lebens prägen.

Bei den Werken der Installation im Porgy&Bess handelt es sich um einzigartige Siebdrucke, die auf analogen Tuschezeichnungen basieren. Jedes Stück ist ein Unikat und hat dennoch einen sich wiederholenden Charakter, wie die Erinnerungen, Denkprozesse und Gefühle, die wir individuell täglich erleben können.

Ansichtssache
Über die künstlerische Arbeit von Zhanina Marinova

Zhanina Marinova setzt sich in ihrer künstlerischen Praxis intensiv mit dem Verhältnis von An- und Abwesenheit genauso wie mit Zwischenräumen auseinander und untersucht in ihren farbenstarken Werken sowohl die physische als auch die metaphorische Bedeutung dieser Gegebenheiten. Die ursprünglich aus Bulgarien stammende Künstlerin strebt in ihrer Kunst danach, die Erlebnisse, Erfahrungen, Emotionen und Gedanken, die uns Menschen in unserem Dasein antreiben, sichtbar und erlebbar zu machen, so laden ihre Arbeiten immer wieder zur Interaktion ein. In ihrem Werk verbindet sie auch technisch zwei unterschiedliche Welten miteinander, so absolvierte sie in Varna eine klassische Ausbildung, die akademisches Zeichnen, Druckgrafik, Malerei und Bildhauerei umfasste. Andererseits schloss sie die Klasse für Druckgrafik an der Universität für angewandte Kunst in Wien ab, die ihr Freiheit und Selbstbestimmtheit im Umgang mit den verschiedenen Techniken und Materialien gab. An der Schnittstelle zwischen Siebdruck, Zeichnung, Installation sowie Buchkunst changierend, stehen bei ihr das spielerische Erkunden, der Dialog mit diversen Materialien sowie ambivalente Formulierungen im Zentrum.

Das Medium, mit dem Marinova hauptsächlich arbeitet, ist der Siebdruck auf Grundlage analoger Zeichnungen im Maßstab 1:1, ergänzt durch zusätzliche Materialschichten, gespritzter Farbe oder gebürsteter Tinte. Dieses erfordert sowohl handwerkliches Geschick als auch Inspiration und spielt in ihrem künstlerischen Tun eine große Rolle. Stets ist der Ausgangspunkt des analogen Prozesses eine Zeichnung von abstrakten Mustern und bewegten Strukturen, die dann auf transparente Folie übertragen werden, um im nächsten Schritt auf das vorbereitete Sieb gelegt und belichtet zu werden. Nach sorgfältigem Auswaschen des Siebs zeigt sich das Motiv und findet sodann seinen Weg auf unterschiedliche Materialien, sei es Papier, Stoff, Leinwand, Mesh, transparente Folien oder Plexiglas. Marinovas Interesse konzentriert sich auf Oberflächen, die nicht nur die physische Durchlässigkeit thematisieren, sondern einerseits die komplexen Grenzen zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit hinterfragen und andererseits Zwischenräume darstellen. Die Künstlerin lotet durch das Verzerren, Erweitern und Staffeln der Schichten die Grenzen des Möglichen aus. Dabei experimentiert sie mit Größe, Form sowie Farbe und drückt ihre eigenen Empfindungen und Ideen aus. Oftmals druckt sie drei bis vier verschiedene Ebenen, um die gewünschte Intensität, Farbigkeit und Tiefe zu erzeugen. Der Entstehungsprozess zeichnet sich zwar durch eine beständige Wiederholung aus, aber jedes Stück stellt als Monotypie ein Unikat dar und rückt die eigene Fantasie sowie Vorstellungskraft in den Mittelpunkt. Diese bilden eine beeindruckende Vielfalt von Überlagerungen und Kombinationen ab, die verschiedene Motive miteinander verschmelzen lassen. Fließende Bewegungen, energiegeladene Dynamik und organische Formen, inspiriert von der Umgebung, laden zu einer individuellen Erzählung ein, welche die subtilen Nuancen des Lebens einfangen. Während des Schaffensprozesses bleibt die letzte Ebene, die Verschränkung mit dem Raum, offen. Neben ersten gedanklichen Veranschaulichungen ist die räumliche Umsetzung und Präsentation eines Werks an dessen Ort und somit auch an Zufall und intuitive Prozesse gebunden. Diese Dynamik schenkt dem Prozess eine gewisse Freiheit und ein natürliches Fließen.

Das Prozesshafte spiegelt sich nicht nur in der von Marinova angewandten Technik wider, sondern auch in der Auswahl der in eine Serie aufgenommenen Arbeiten, so setzt sich jede Serie aus mehreren Teilen zusammen. Die im Porgy & Bess gezeigte Installation Transparent bodies, mirroring shadows stellt das vierte Kapitel des umfangreichen Projekts INTERSTICE dar, in welchem Zwischenräume, egal ob zeitlich oder räumlich, genauere Definition und Charakterisierung erfahren. Zwischenräume können als Leerstellen, Schnittstellen oder Übergänge verstanden werden, die verschiedene Konzepte, Ideen und Realitäten miteinander verbinden und so neue Interpretationen ermöglichen. Marinova schafft es anhand dieser Aspekte von Ambiguität und Vielschichtigkeit, Facetten von Identität, Kultur, Geschichte und Politik freizulegen, Spannung zu erzeugen, die Betrachtenden auf Lücken im Leben hinzuweisen und so die Komplexität des menschlichen Daseins darzulegen. Die Betrachtenden werden so herausgefordert, über das Offensichtliche hinauszublicken und neue Verbindungen herzustellen, sich mit den Ambivalenzen des Lebens auseinanderzusetzen und verschiedene Perspektiven zu erkunden. Erinnerungen aus ihrer Kindheit wirken hierfür als Quelle der Inspiration, die ihren Arbeiten eine spürbare Leichtigkeit verleiht. In jeder ihrer künstlerischen Schöpfungen findet sich ein spielerisches Paradox wieder, das die Betrachtenden dazu einlädt, das Leben mit einem Augenzwinkern zu betrachten. Die Titel ihrer Werke sind wie kleine Rätsel gestaltet, die oft mit humorvollen Widersprüchen versehen sind. Diese bewusst gesetzten Unstimmigkeiten schaffen eine einzigartige Dynamik und regen dazu an, die Werke nicht nur oberflächlich zu betrachten, sondern auch ihre tieferen Schichten zu erkunden.

Auf unterschiedlichen Höhen schweben die farbenstarken, transluzenten und fragilen Werke der Serie Transparent bodies, mirroring shadows und reagieren auf die entgegen gebrachten Bewegungen, indem sie langsam hin und her schwingen. Überraschung und subtile Tiefen spielen sowohl in der Gestaltung als auch in der Hängung eine entscheidende Rolle. So arbeitet Marinova bewusst mit den bereits vorhandenen Spiegeln, um eine unerwartete Dimension in der Betrachtung zu schaffen und das Publikum positiv herauszufordern. Betrachtet man die Siebdrucke im Spiegel, wird einem erst dann die Vorderseite präsentiert, jedoch wird gleichzeitig eine Reflexion der Umgebung und der Betrachter:innen miteingefangen. Diese Ebene erzeugt nicht nur eine ästhetische Faszination, sondern appelliert an die Betrachtenden, die eigene Wahrnehmung zu hinterfragen und die Beziehung zwischen dem Selbst, der Kunst und dem Raum zu erkunden.

Diese Einbindung von Spiegeln verdeutlicht einen Denkprozess, der über das Offensichtliche hinausgeht. Diese ermutigt dazu, nicht alles oberflächlich zu betrachten, sondern die verborgenen Schichten und Bedeutungen zu erforschen, die unter der scheinbaren Oberfläche liegen. Durch diese künstlerische Entscheidung schafft Marinova eine interaktive Erfahrung, die die Betrachter:innen dazu einlädt, die eigene Rolle im Kunstwerk zu hinterfragen und neue Perspektiven zu entdecken.

Die Serie Same but different präsentiert sich in Form von Plexiglasblöcken, die zwei Seiten aufweisen, von denen jede unterschiedliche Werke und narrative Elemente enthält. Diese Komposition ermöglicht es, eine Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln und Interpretationen zu betrachten. Durch die klare und transparente Natur des Plexiglases sind jedoch nicht immer alle Ebenen gleichzeitig sichtbar. So bietet die Künstlerin eine dynamische Erfahrung und lädt die Betrachter:innen dazu ein, verschiedene Perspektiven und Möglichkeiten zu erkunden. Diese faszinierende Interaktion zwischen Kunst und Betracher:in lässt eine Erforschung einer derartigen Vielschichtigkeit und Tiefe der Arbeit zu.

Das Spiel mit den Betrachtenden sowie der Versuch immer wieder einen Wechsel der Perspektive zu evozieren, zeugt von einer Offenheit gegenüber Vielschichtigkeit bzw. Ambivalenz und einer Bereitschaft die oberflächlichen Momente und Betrachtungsweise mithilfe von Paradoxen zu vertiefen. Dieser Wille spiegelt sich im Werk in zahlreichen Dimensionen, angefangen vom Schaffensprozess, der Wahl des Materials, bis hin zur Hängung und finalen Präsentation wider und bringt den*die Zuseher*in dazu interaktiv an dieser Dynamik teilzuhaben.

Text by Paula Marschalek

Die Reihe #Intervention wird von Galerie Rudolf Leeb kuratiert.

Besichtigung täglich von 16:00 - 23:00 Uhr

PORGY & BESS
1010 Wien, Riemergasse 11
www.porgy.at

#Intervention_02 Webseite Jazzclub >>> 

Abbildungen: Close ups aus der Installation, Siebdruck 2024 

Installationsansicht Zhanina Marinova im Porgy & Bess

Installationsansicht Zhanina Marinova im Porgy & Bess

Zhanina Marinova im Porgy&Bess